Form Follows
Kunstraum Alexander Bürkle
2015
Die skulpturale Form wird aus dem Materialgewinnungsprozess herausentwickelt, insbesondere bei Verwendung des Werkstoffes Polyurethan. Das Polyurethan wird auf Folien gegossen, die zuvor mit Bildmotiven gestaltet wurden. Das sich auf diesem flexiblen Negativ unkalkulierbar ausdehnende Polyurethan verbindet sich im Verfestigungsprozess mit dem applizierten Bild. Dabei nimmt es eine skulpturale Form an, die zugleich selbst Bildträger wird. Die Folien selbst werden anschließend entfernt, so dass der Digitaldruck als reines, lichtechtes Pigment mit den Oberflächen der „urzeitlichen“ Volumen eine untrennbare und unlöschbare Verbindung eingeht, die wie ein Tattoo eine temporäre Erscheinung für die Ewigkeit einfriert. Zeitlichkeit und eine chiffrierte Emotionalität schreiben dem Körper andere Ebenen der Lesbarkeit ein, die mit dessen dreidimensional ausladender Präsenz im Konflikt stehen. Die Ausgangsdaten des Bildmaterials stammen sowohl aus dem schier unbegrenzten Kosmos des Internet als auch aus den Fotografien, die während des Werkprozesses entstehen. Sie binden das Werk in einen Closed Circuit ein, der mit dem endlosen Datenraum in einem Austausch steht und in diesen einfließt.
Die Verwendung von Materialien beruht auf ihrem Potential, sich durch den bildhauerischen Umgang verändern zu lassen oder sich überhaupt erst auszuprägen. In einem unabschließbaren Prozess der Wechselwirkung verändern sich die Farbe und Textur der Materialien. Die in Auslösung und Verwandlung begriffene Materie widersetzt sich einem definitorischen Zugriff und fordert durch ihre physische Präsenz im Raum den Körper des Betrachters heraus. Zwischen den digitalen Prozessen und analogen Werkstoffen, ihrer soziotechnischen Verwendung und der Anordnung auf dem Boden, die eine Nähe zu den natürlichen Vorkommen der Materialien nahelegt, wird eine Spannung erzeugt. In dieser gegenseitigen Durchdringung hinterfragen die Arbeiten die Unterscheidungsgewalt zwischen dem Natürlichen, das von selbst entsteht, und dem, was als Artefakt der menschlichen Absicht unterliegt.
Der durch die Physis des Materials, angezogene Blick bleibt somit nicht auf dessen Eigenschaften und Formen haften, sondern nimmt eine neuartige plastische Wirklichkeit wahr und überträgt dieses komplexe Verhältnis von Natürlichkeit und Artifizialität, Prozesshaftigkeit und Intentionalität auf den Bereich des Organischen.
Den Arbeiten ist der Atem des Machens inhärent. Selbst da wo sie äußerlich eine abstrakte Form zu artikulieren scheinen, ist aus der Nahsicht erspürbar, dass sie als Gegengewicht zum eigenen Körper und im Dialog mit dem eigenen Körper und seinen Bewegungen beim Verfertigen entstanden sind.